Ich liebe Vorstehhunde. Pointer, Setter, die Deutschen, die Spanier, die Portugiesen und alle anderen auch. Mit einem solchen Hund auf weiten, offenen Flächen unterwegs zu sein, hat schon einen ganz besonderen Reiz. Dann nämlich, wenn er zeigen darf, was er kann.
Diese konzentrierte Suche, die einer ganz eigenen Choreografie folgt, ist jedes Mal aufs Neue ein beeindruckendes Schauspiel. Und als krönender Abschluss „der Punkt“, wenn der Hund den Geruch, den er in der Nase hat, soweit eingrenzen kann, dass er sich mit beispielloser Eleganz in die richtige Position schiebt und schleicht und schmiegt und letztlich erstarrt. Je nach Rasse oder Individuum mit erhobener Vorderpfote oder gesenktem Hinterteil oder geduckt und angespannt wie ein Pfeil an der Sehne.
Aber nicht nur von ihrer Optik her sind diese Hunde ein Hauptgewinn.
Wie die meisten Jagdhunde, die zur abhängigen Zusammenarbeit mit dem Menschen gezüchtet wurden, sind sie freundlich und ständig auf rührende Art bemüht, alles richtig zu machen. Sie schauen auf eine spezielle Weise zu ihrem Menschen hoch und wedeln und trippeln dabei mit gesenktem Hinterteil, als wollten sie uns permanent ihrer guten und redlichen Absichten versichern.
Verständlich, dass viele Leute einen solchen Hund „besitzen“ möchten. Dementsprechend häufig werden Trainer zu Vorstehhunden gerufen. Die „Probleme“ sind meist die gleichen: Unruhe, an-der-Leine-ziehen und Jagen.
Dass ein Jagdhund sich für Wildtiere interessiert, wird ja hoffentlich niemanden wundern. Warum aber haben gerade diese Hunde so oft Probleme damit, gesittet (d.h. langsam) an der Leine zu gehen?
Ganz einfach: Es widerspricht ihrer Natur!
Wie bei so Vielem, das uns bei Hunden vor Rätsel stellt, liegt die Ursache auch hier im Jagdverhalten.
Es wurde seit Jahrhunderten an spezielle Bedürfnisse von Jägern angepasst, verfeinert, optimiert und schließlich gefestigt. Ein Vorstehhund soll suchen und zwar (aus Gründen der Effizienz) relativ weit weg vom Menschen und dann soll er zeigen und an Ort und Stelle halten, was er gefunden hat – so lange, bis der langsame Mensch zu ihm aufgeschlossen hat und über die Zukunft des gefundenen Tieres entscheidet.
Ein Vorstehhund soll nicht hetzen oder treiben oder packen, er soll finden und zeigen. Er braucht Raum und Luft, um seine, ihm penibel angezüchteten Vorzüge ausspielen zu können.
Ein Vorstehhund ist gern nah bei seinem Menschen. Drinnen!
Sobald aber draußen Bewegung ins Spiel kommt, möchte er sich (zwar weitgehend synchron), aber auf seine Art und in seinem ureigenen Radius bewegen. Eine Leine in halbwegs normaler Länge passt da einfach nicht dazu.
Soweit die Theorie.
Inwiefern hilft das aber den von schmerzenden Schultern geplagten, jeden Leinenspaziergang fürchtenden, von keuchenden Hunden durch die Gegend gezerrten Hundehaltern?
Ich glaube, wenn man versteht, warum der Hund gewisse Dinge einfach tun muss, weil er dafür geboren wurde, fällt es ein wenig leichter, kreative persönliche Lösungswege zu finden.
Hier ein paar Anregungen:
Vorstehhunde tun sich leichter damit, nah am Bein des Menschen zu gehen, als an der viel gewünschten „lockeren Leine“ ein paar Schritte neben oder vor ihm. Man kann dieses „Kontaktgehen“ aufbauen wie einen Trick. Egal ob Sie dafür Worte, den Clicker und/oder Futter benutzen. Manche Hunde haben lieber ihren Hals am Bein des Menschen, manche ihre Schulter und manche ihre Schnauze. Probieren Sie aus, was Ihr Hund am liebsten mag.
Wenn das gut klappt, können Sie das Kontaktgehen zu einem Gehen in geringem Abstand ausbauen. Ich würde es nur nicht in umgekehrter Reihenfolge versuchen.
Ob ein (Vorsteh-)Hund sich in einer Position wohl fühlt, erkennen Sie ganz leicht an seinem Gang.
Alles, wozu er sich aus Gehorsam zwingen muss (oder gezwungen wurde), zeigt sich an seinen Hinterbeinen. Es wirkt dann, als ob er sich nur mühsam im Griff hätte, die Bewegungen sind staksig und unrund. Oft kommt es zu Zwischenschritten und o-beinigem Getrippel.
Geht er locker und geschmeidig, kann er diese Fortbewegungsart auch in seinem Inneren annehmen. Ich weiß, das klingt seltsam, aber schauen Sie einmal genau hin.
Idealerweise würde auf eine kurze Zeit des Kontaktgehens eine längere Zeit des freien Laufens in seiner selbst gewählten Geschwindigkeit und Distanz folgen. Noch idealererweise (??) würde der Hund dabei von Ihnen mit einem Suchauftrag losgeschickt und währenddessen nicht aus den Augen gelassen, damit Sie auf seine (zweifellos erfolgenden) Kontaktaufnahmen umgehend reagieren können. Hat er zum Beispiel eine Seite des Feldes abgesucht (auch kreuz und quer), schaut er zu seinem Menschen und der kann ihn dann entweder „weitersuchen“ schicken oder aber mittels Pfiff und Handzeichen zurückholen und die Suche für beendet erklären.
Vorstehhunde mögen es gern strukturiert. Ihre Jagdbedürfnisse sind klar und einfach. Sie akzeptieren viele jagdfreie Tage, aber sie verzichten nicht endlos ohne sich selbst dabei aufzugeben.
Wenn Sie also mitten in der Stadt leben und der Hund deswegen außer an der kurzen Leine keine Möglichkeit hat, spazieren zu gehen, müssen Sie ein wenig kreativer werden. Sie könnten z.B. zweimal pro Woche eine 20 oder 30 Meter lange Leine benutzen und ihm mittels selbst verstecktem Hasenfell eine Suche in diesem Radius in einer Hundefreilaufzone ermöglichen.
Sie könnten sich in Hundeschulen erkundigen, ob Sie gegen eine Gebühr den eingezäunten Platz für Suchaufträge nutzen dürften.
Oder Sie gewinnen im Lotto und ziehen aufs Land.
Nur eines dürfen Sie nicht: Die Herkunft Ihres Hundes verleugnen, denn damit verdammen Sie ihn zu einem Wesen, das sein ganzes Leben lang im Gefängnis seiner Bestimmung sitzt ohne die Chance, sich jemals frei zu fühlen – und das hat nichts mit der Leine zu tun sondern mit dem Ausmaß von Verständnis und Kreativität, das sie bereit sind, ihm entgegenzubringen.
Foto: "Lobo" von Klaus Prein
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